Es ist jedes Jahr dasselbe: Kaum sind die ersten warmen Tage da, liegen auch schon Erdbeeren in den Regalen – und das, obwohl es in Österreich noch Wochen oder sogar Monate dauert, bis die ersten heimischen Beeren reif sind. Die Werbung tut ihr Übriges, um uns einzureden, dass bereits Erdbeersaison ist. Aber muss das wirklich sein?
Heimische Erdbeeren gibt es erst ab Juni, doch bis dahin greifen viele Restaurants und Betriebe längst zu Importware aus Spanien oder Italien. Was dabei oft übersehen wird: Der Preis, den Mensch und Umwelt dafür zahlen. In südlichen Regionen werden für den Anbau oft große Mengen an Grundwasser abgepumpt – teilweise mit dramatischen Folgen für lokale Ökosysteme. Auch die Arbeitsbedingungen, etwa für Erntehelferinnen und -helfer, sind in diesen Ländern deutlich weniger streng reguliert als in Österreich. Doch nicht nur die Umwelt bezahlt für unseren frühzeitigen Hunger auf Erdbeeren. Auch der Geschmack bleibt auf der Strecke. Wer einmal eine importierte, unreif geerntete Erdbeere mit einer frisch gepflückten aus Österreich verglichen hat, weiß, wie groß der Unterschied ist. Für den Transport werden festere, weniger aromatische Sorten angebaut – das Ergebnis: Erdbeeren, die zwar hübsch aussehen, aber geschmacklich nicht mit heimischen mithalten können. Schon allein deshalb zahlt es sich aus, auch in der Gastronomie auf die echte Erdbeersaison zu warten.
Gleichzeitig setzt man damit aber auch ein wichtiges Zeichen. Denn je besser die Gastronomie Saisonalität vorlebt, desto eher bekommen auch die Gäste wieder ein Gespür dafür, wann welches Obst und Gemüse aus Österreich verfügbar ist und wann nicht. Saisonal zu kochen ist dabei keinesfalls eine Einschränkung. Im Gegenteil: Viele werden sich noch daran erinnern, als Erdbeeren noch etwas Besonderes waren, weil es sie eben nicht das ganze Jahr über gab. Und daran, wie gut die erste Erdbeere im Jahr geschmeckt hat. Diese Besonderheit können wir wieder zurückholen, indem wir uns an den Takt halten, den die Natur uns vorgibt.
