Mit der Craft des Bieres

Markus Betz, Category Manager (Craft)Bier bei Ammersin.
Markus Betz, Category Manager (Craft)Bier bei Ammersin.

Craftbiere kann man online von einer exotischen Kleinstbrauerei ordern – oder direkt bei der Haus- und Hofbrauerei seines Vertrauens.


Der Bierkonsum hierzulande ist pandemiebedingt im vergangenen Jahr etwas gesunken. An die 100 Liter Gerstensaft trinkt jeder Österreicher durchschnittlich im Jahr. Immerhin liegen wir damit auf Rang zwei hinter Tschechien beim weltweiten Pro- Kopf-Verbrauch. Deutlich nach oben wird dieser Wert in absehbarer Zeit wohl nicht mehr gehen. Dem stehen schärfere Alkohollimits und -kontrollen im Straßenverkehr und ein geändertes Gesundheitsbewusstsein vieler Leute (auch wenn Bier – in Maßen genossen – ein durchaus gesundes Getränk ist) entgegen. Die 120 bis 140 Liter/Kopf, die es etwa in den 1980er- Jahren gab, werden wohl nie wieder kommen. Daran ändert auch der aktuelle Craftbier- Boom wenig. Schließlich sind die meisten dieser Handwerksbiere geschmacklich deutlich fordernder als ein gewöhnliches Lager. IPAs etwa, die derzeit die große Mehrheit auf den Craftbier- Karten stellen, sind meist ausgeprägt hopfig mit tropischen Fruchtaromen. Nichts wovon man mal eben zwei oder drei Krügel trinkt. Dazu kommt, dass bei vielen Craftbieren der Alkoholgehalt deutlich über den üblichen 4-5 Prozent liegt. Und dann ist da noch der finanzielle Aspekt: Preise von teilweise über fünf Euro für 0,3 Liter in der Gastronomie fördern die Absatzmenge auch nicht gerade.

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Gösser als Craftbier?

Dabei sind Craftbiere DIE Modeerscheinung der letzten Jahre in der Bierszene. Entstanden ist der Trend in den 1970erund 80er-Jahren in den USA als die dortigen Biertrinker das geschmacklose Einheitsbier von Budweiser, Miller & Co. sukzessive leid waren und neue Gesetze auch das Bierbrauen zu Hause zuließen. Alsbald eröffneten im ganzen Land nach und nach Microbreweries, Gasthaus- oder Heimbrauereien, die eben handwerklich gebrautes, kreatives Bier herstellten statt des konturlosen Industriebiers. Dabei ist die Definition, was denn jetzt Craftbier sei, gerade für europäische Verhältnisse schwierig. Laut der US Brewers Association ist eine Craftbrewery eine „unabhängige, inhabergeführte Brauerei mit einem maximalen Jahresausstoß von 6 Mio. Barrel“, das entspricht rund 9,5 Mio. HL. Wenn man mal das Thema „inhabergeführt“ beiseitelässt, wären nach dieser Grenze theoretisch alle Brauereien in Österreich Craftbreweries, denn diese 9,5 Mio. HL entsprechen ziemlich genau dem Gesamtjahresausstoß aller österreichischer Brauereien zusammengenommen…

Definitionsfrage

Zusätzlich verwirrend wird es, wenn sukzessive Großbrauereien das Thema für sich entdecken und neben ihren angestammten Pils-, Märzen- oder Weizenbieren plötzlich auch – oft genug unter einer Submarke – limitierte Bierspezialitäten offerieren. Ottakringer vertreibt seine Kreativbiere etwa unter dem Label „Brauwerk“, bei Stiegl sind es die „Stiegl Jahrgangs- oder Hausbiere“ und beim österreichischen Branchenleader Brau Union hat man sich dieses Themas gleich auf mehreren Ebenen angenommen: So werden einerseits Bierspezialitäten der kleinen Salzburger Brauerei Kaltenhausen unter dem Namen „Hofbräu Kaltenhausen“ vertrieben, andererseits werden entsprechende, aus dem Mainstream herausragende Biere auch von der Schleppe Brauerei in Klagenfurt oder künftig von der Linzer Brauerei angeboten, die beide ebenfalls zum Brau Union-Konzern zählen. Für den Gastronomen natürlich ein Vorteil, weil er bei Bedarf alles aus einer Hand bekommt, ihn die gleiche Brauerei, die ihn mit Märzen, Weizen oder Pils versorgt, auch mit IPA, Porter oder Chocolate Stout beliefert. Was gilt jetzt also alles als Craftbier? Mehr oder weniger hat sich jedenfalls durchgesetzt, dass als Craftbier all das bezeichnet wird, was sich abseits des Mainstreams bewegt und in verhältnismäßig kleinen Einheiten hergestellt wird. Insofern wurden in Österreich schon Craftbiere gebraut, bevor dieser Begriff überhaupt geboren wurde. Dass heute schon manches 08/15-Pils als Craftbier firmiert, bloß weil dabei eine etwas ausgefallene Hopfensorte verwendet wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Sortiment übersichtlich halten

Craftbiere

„Craftbier ist für uns als Ottakringer Brauerei ein äußerst wichtiges Thema, da es neben ergänzenden Produkten für ein stimmiges Biersortiment mit internationalen Bierstilen auch die Neugierde der Kunden weckt, Bier als Thema wieder in den Vordergrund rückt und das Handwerk Bierbrauen greifbarer macht. Gleichzeitig ist es eine Möglichkeit am Markt möglichst früh zu sehen wohin sich unsere hochwertige österreichische Bierkultur langfristig weiterentwickeln wird“, weiß etwa Michael Neureiter, Leiter Ottakringer Brauwerk & Ottakringer Shop. Gastronomen empfiehlt er, das Craftbierangebot klein genug zu halten, um es in einer erwünschten Frische & Qualität verkaufen zu können. Oft sei in der heimischen Gastronomie das Angebot nämlich deutlich zu groß für die Nachfrage. Dass das Thema Craftbier für Ottakringer nach wie vor eine Nische ist, zeigt sich indes am Umsatzanteil von weniger als zwei Prozent des gesamten Ottakringer-Umsatzes für die Brauwerk- Schiene und da sind bereits diverse Events und Seminare mitgerechnet. Bei Stiegl sieht setzt man den Startschuss für das Craftbier-Brauen vor rund 30 Jahren mit dem ersten Paraceslus Bio-Zwickl an. Auch wenn dieses mittlerweile das beliebteste Zwickl Österreichs sei und in entsprechend größerem Stil gebraut würde. „Manche haben so ‚eingeschlagen‘, dass wir sie mittlerweile ganzjährig anbieten wie etwa unser Stiegl- Hausbier ‚Gipfelstürmer‘, eine hopfige Dinkelweisse“, freut sich Stiegl-Kreativbraumeister Markus Trinker. „Jährlich bieten wir acht unterschiedliche Stiegl-Hausbiere in Bio-Qualität als Flaschen- und Fassware an, die für die Gastronomie einzeln oder für das ganze Jahr bestellt werden können. Der Wirt bekommt dann automatisch seine saisonale Hausbier-Lieferung.“ Stiegl registriert jedenfalls nach wie vor eine hohe Nachfrage nach Craftbieren. Was als Trend begann, sei zum Fixpunkt im Sortiment geworden. Trinker: „Saisonale, kreative Biere finden sich immer öfter auf den Getränkekarten. Wir merken, die richtigen Fans suchen immer wieder etwas Neues, Spannendes. Als Gastronom ist man mittlerweile kein Exot mehr, wenn man neben dem klassischen Märzen und einem Radler auch noch andere Bierstile anbietet. Aber: Da geht noch was!“

Überschaubarer MarktanteilÜberschaubarer Marktanteil

Was man allerdings nicht übersehen darf: Der letztlich auch medial gepushte Hype um das Handwerksbier hat mit der tatsächlichen Bedeutung dieses Segments wenig gemeinsam. In Österreich beträgt der Marktanteil der Kreativbiere gerade mal 0,1 Prozent. Knapp ein Viertel der österreichischen Bevölkerung (23 %) trinkt laut aktuellem Bierkulturbericht der Brau Union Craft-Bier. Ein Trend, dem vor allem Männer (30 %) und die jüngere Generation der 18-29-Jährigen (37 %) zugetan sind. Teilt man die österreichische Bevölkerung in Biertrinkertypen ein, ist es vor allem der neugierige Probierer, der zu Craftbieren greift, ein mit drei Prozent nur kleiner Kreis unter den Biertrinkern. „Entsprechend gering sind somit Anteile am Biermarkt und Entwicklungspotenziale. Bierspezialitäten sind und bleiben ein wichtiger Bestandteil des traditionellen Handwerks und der Braukunst, der aber nicht die breite Masse anspricht“, lautet die Conclusio einer Brau Union-Sprecherin. Dessen ungeachtet bieten Craftbiere allerdings jedem Gastronomen die Möglichkeit, sich über das Bierangebot zu profilieren und unverwechselbar zu machen. Denn während sich etwa klassische Biersorten oft nur von der Marke, aber weniger vom Geschmack her unterscheiden, ist die Welt der Handwerksbiere eine fast unendlich variantenreiche, die noch dazu schöne Deckungsbeiträge erlaubt – vorausgesetzt, der Wirt beschäftigt sich mit dem Thema und kann dem Gast kompetent Auskunft geben. Und Fragen seitens der Gäste werden bei einem holzfassgereiften Barley-Wine auf der Karte, einem Iced Porter oder Sour IPA unter Garantie auftauchen.

Aktive Sortimentspflege nötig

Wer also sein Biersortiment vergrößern möchte, der sollte Folgendes beachten: „Als Gastronom muss ich bei der Sortimentsauswahl die möglichen Besuchsanlässe meiner bestehenden und die der potenziell erreichbaren Gäste bedenken. Natürlich werden wegen eines neuen Bieres auf der Karte nicht sofort zahlreiche neue Gäste kommen. Aber was ist notwendig, dass z. B. der Mittagsgast auch abends mit seinen Freunden das Lokal besucht?“, meint etwa Bierprofi Michael Kolarik-Leingartner vom Bierimporteur DelFabro-Kolarik. Zudem empfiehlt er eine aktive Sortimentspflege, also gezielt Produkte mit geringer Drehung ersetzen. Und ein saisonales Angebot. Die Vielfalt der Bierwelt sei nun deutlich besser verfügbar. Dadurch sei es einfach geworden, das Bierangebot an die saisonalen Schwerpunkte anzupassen. Generell sei bei DelFabro-Kolarik der Umsatz mit Craftbieren stetig steigend, vor allem weil Craftbierbrauer nun auch Stile mit höherer Trinkbarkeit brauen würden. „Wir bieten etwa mit den Bieren von Baladin aus dem Piemont hervorragende Speisenbegleiter an, während die Biere von ‚And Union‘ eher auf den ‚on the go‘-Bereich abzielen und Dank des Designs auch eine ganz andere Zielgruppe ansprechen“, so Kolarik-Leingartner.

Gekommen um zu bleiben

Bei Getränkehändler Ammersin macht auf die Anzahl der angebotenen Biere der Craftbierbereich inzwischen schon gut ein Drittel aus, wie Markus Betz, Category Manager für Bier, auf GASTRO- Anfrage mitteilt. „Es ist klarerweise auch ein von Innovationen getriebenes, schnelllebiges Segment aber eine Vielzahl der Produkte ist auch gekommen, um zu bleiben.“ Für Ammersin eigne sich das Thema auch ideal als Türöffner. „Man nimmt uns dadurch – noch mehr als zuvor – als Bierspezialist im Bierland Österreich wahr. Die großen Investments, die wir hinsichtlich Zeit und Know-how getätigt haben und weiterhin tätigen, zahlen sich also voll aus. Kurz: Craftbier ist ein sehr starkes Segment und nicht mehr wegzudenken“, weiß Betz, der in den letzten Jahren auch steigendes Interesse seitens der Gastronomie bei dem Thema spürt. Sein diesbezüglicher Tipp: „Laufend investieren, vor allem Zeit, etwa in Schulungen fürs Personal, denn Bier ist ein schnelllebiges Thema. Und wer am Ball bleibt wird auch mit diesem Thema erfolgreich sein und wird einen neuen Umsatztreiber etablieren.“

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