Wolfgang Kleemann, der ehemalige Generaldirektor der ÖHT, sagt, worum es jetzt wirklich geht im Tourismus: Wir brauchen neue Finanzierungsmodelle, neue Förderrichtlinien und ein besseres Marketing für die Menschen vor Ort.
Wir könnten junge Mütter für uns gewinnen, wenn wir ihnen Kinderbetreuungseinrichtungen anbieten. Das habe wir bis jetzt völlig ausgeblendet.
Herr Generaldirektor, lieber Wolfgang, worum geht es im österreichischen Tourismus nach der Covidkrise?
Wolfgang Kleemann: Wir stehen bei den Tourismsubetrieben vor einer echten Kreditklemme. Deshalb brauchen wir eine wesentlich stärkere Förderstruktur. Bei Marktversagen wird der Staat regulativ eingreifen müssen. Das zweite Modell: Finanzierungen in Richtung alternative Modelle leiten.
Geld wäre ja genügend da!
Ja, es gibt viele wohlhabende Menschen, die suchen eine sichere Anlage abseits vom Sparbuch und Aktienmarkt. Der Tourismus ist grundsätzlich eine sympathische Branche. Da investiert man gern. Uns muss es gelingen für den Tourismus Private Placements, Crowdfinanzierungen oder Fondsmodelle zu akquirieren oder zu entwerfen. Ich habe das Privileg viele reiche Menschen zu kennen. Die sagen mir sinngemäß: Lass dir was einfallen, dann tun wir was! Wenn man solchen Leuten sagt, wir veranlagen deine 10 oder 20 Millionen in einem Tourismusfond der ÖHT und managen deine Beteiligungen, investieren nur in Leitbetriebe, die die momentane Krise durchstehen werden: Dann wird man diese Leute schnell überzeugen.
Warum gibt es das nicht längst?
Weil wir es politisch verschlafen haben. Wir verfehlen in der Förderpolitik momentan den Auftrag, den uns die Realität gibt. Wir bieten Produkte an, die in Wirklichkeit keiner braucht. Förderung muss den Mut haben, ein wirtschaftspolitisches Lenkungsinstrument sein zu wollen.
In welche Richtung sollte diese Förderung im Tourismus lenken?
Wir schaffen es nicht den Tourismus weiter so zu performen, wie wir es bisher taten, weil uns die jungen Touristiker davonrennen, weil keiner sich mehr selbstständig machen möchte. Auch die klassische Mitarbeiterstruktur bricht uns dramatisch weg. Wir könnten aber junge Mütter für uns gewinnen, wenn wir ihnen Kinderbetreuungseinrichtungen anbieten.
Diese Kindergärten sollten dann privat organisiert werden? Von Hoteliers, die sich zusammentun?
Das ist der Punkt. Wir brauchen einen Tourismuskindergarten Schladming, den alle Hoteliers in Schladming finanzieren. Der hat dann auch am Wochenende offen! So etwas haben wir vor zwei Jahren in der Steiermark und in Oberösterreich über die ÖHT angestoßen. Was glaubst du, wie viele Projekte an uns herangetragen wurden?
Null.
Null.
Warum?
Weil‘s keiner versteht, solche Produkte zu lancieren. Weil keiner versteht, dass das notwendig ist.
Scheut der Hotelier vor dem Thema Kindergarten zurück, weil es ihn etwas kostet? Hat er keine Zeit sich drum zu kümmern? Oder sieht er die Notwendigkeit nicht?
Ich fürchte Letzteres. Weil der Weg zwischen der Gründung eines Kindergartens gemeinsam mit drei anderen Hoteliers und dem tatsächlichen Rekrutieren von Mitarbeiterinnen aufgrund des Kindergartens ein relativ weiter ist. Wie selten haben wir Beteiligungskonzepte für Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens? Obwohl das seit einigen Monaten steuerlich begünstigt ist. Ich persönlich kenne keinen einzigen Betrieb, der das macht. Das ist einfach nur noch dumm.
Wir haben zwar nur acht Prozent vom BIP, aber 100 Prozent vom Lebensgefühl.