„Du musst es Radius nennen!“

Josef Floh, Haubenkoch und Besitzer von Flohs Gastwirtschaft in Langenlebarn, ist Mister Regional. Mit seinem 66 km-Menü, das er 2008 einführte, ist er sozusagen radikal regional und setzte damals neue Maßstäbe. Heute ist das ein Trend, auf den auch andere aufspringen und warum Regionalität so wichtig ist, darüber sprach „Floh“, wie in alle nennen, mit GASTRO.

Was war der Auslöser für den 66 Kilometer Radius, Herr Floh? „Da muss ich etwas ausholen: Das 66 km-Menü ist aus einem Interview entstanden, in dem ein Journalist meinte: ,Ich war jetzt schon bei fünf Gastronomen und alle erzählen mir das gleiche.‘ Daraus erwuchs die Erkenntnis nach einer Profilschärfung und weil Regionalität im Familienbetrieb schon immer wichtig war, meinte jemand: ,Du musst es Radius nennen!“‘

Also setzte sich Floh hin und schlug im Schulatlas mit dem Zirkel einen Radius von erstmals 33 Kilometern und erschrak als er sah, was es da alles nicht gab. Dem folgte die Erkenntnis: 30 Kilometer gehen sich nicht aus. Dann ging der Blick zu den bestehenden Produzenten und das ergab dann die 66 Kilometer – das geht sich aus. Nicht dogmatisch, „das Schremser Bier, das wir seit Jahren beziehen, ist rund 70 Kilometer weit entfernt“.

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Die Einführung des 66 Kilometer Radius führte zu einer dramatischen Umstellung der Speisekarte. Und noch etwas hat es bewirkt: „Man schaut genauer hin, man entdeckt Neues!“

„Regionalität zu 1000 Prozent“

Eigentlich begann die Regionalität beim Wein, der in den Anfängen das Zugpferd im Betrieb war. Ein Stammgast, Tierarzt, meinte damals: „Ihr tuts da umanand beim Wein, wird‘s sehn, das wird beim Essen auch kommen“. Und recht sollte er behalten. Wobei auch Floh sehr wohl mit dem Großhandel startete und das auf etwas ungewöhnliche Weise:

Der Dienstag war schon immer Ruhetag im Gasthaus und den verbrachte Floh in jungen Jahren abends im Wiener U4, um dann anschließend um 5 Uhr früh direkt auf den Großgrünmarkt zu fahren. Doch mit der Geburt der Tochter 2009 kam dann schon der Gedanke: Woher kommen die Produkte, wer macht sie und bald entstand auch der Kontakt zu den Bauern: Schober Lamm war der erste, er kam auf Floh zu und Hermine Kammermaier mit ihrem Spargel. Beide setzte er damals namentlich auf die Karte, wofür ihn manche für verrückt hielten.

Worum geht’s bei der Regionalität, Herr Floh?

„Ich will die Leute dahinter kennen!“

„Alles anders machen als alle anderen!“

Heute hat Josef Floh eine Vielzahl großartiger Gemüsebauern, u.a. Michael Bauer und Evi Bach – beide sind groß geworden mit dem Steirereck, das in vielen Bereichen Pionier in Österreich war. Für Floh hat Familie Reitbauer in Österreich vieles auf Schiene gebracht und ein Ausspruch von Reitbauer Senior hat er sich zu eigen gemacht: „Das Agieren nach den fünf ,A‘: Alles anders machen als alle anderen!“

Josef Floh gibt seinen Bauern eine Abnahmegarantie mit Fairness, will heißen: Es gibt nichts Schriftliches, aber: „Wenn ich sehe, ein Bauer hat gerade sehr viel Spargel, dann nehme ich alles und was wir nicht unmittelbar brauchen können, wird eingelegt“. So kommen an die 10.000 Gläser Eingelegtes pro Jahr zusammen. Der Vorteil dieses Arrangements ist auch, „dass man dann auch das bekommt, wovon es nur eine Handvoll gibt!“

Das Eingelegte hat noch einen weiteren Vorteil: „Wenn die Gäste am Beginn der Spargelsaison kommen und fragen: ,Gibt’s schon Spargel?‘, der Frische aber noch nicht reif ist, dann sage ich: Ja, den vom Vorjahr und ich kann damit den ersten Gusto stillen.“ Und der Eingelegte ist genauso knackig wie der Frische, der übrigens ausschließlich von Malafa kommt.

Das vielleicht Wichtigste des Einlegens ist für Floh aber: „Im Sommer greifen alle ins gleiche Portfolio, im Winter sieht bei uns aber die Speisekarte dramatisch anders aus!“

Rezeptur? Leider nein!

Alle 2-3 Wochen wird die Speisekarte mit Ausnahme einer kleinen Bestandskarte neu gemacht. In Floh’s Gastwirtschaft wird nichts rezeptiert, was den Vorteil hat, dass die Gerichte immer einzigartig sind. Der Nachteil ist, wenn etwas wirklich großartig war, dann geht’s nicht zum Nachkochen. Und was ist, wenn sich herausstellt, dass ein neues Gericht doch nicht ganz so passt? „Dann wird nachjustiert. Bis es allerdings dann Serienreife hat, wird das Gericht wieder von der Karte genommen“, sagt Floh, und sieht dabei aber keineswegs unglücklich aus.


„Wir freuen uns sehr, wenn unsere Gäste sich bei unseren Hochbeeten mit der Gartenschere direkt die Kräuter für ihre Sommergerichte schneiden. Frischer & geschmackvoller geht’s nicht.“

Elisabeth Floh, liebevolle Ehefrau, gute Seele des Service und Chefin im Donaugartl


Elisabeth Floh, liebevolle Ehefrau, gute Seele des Service und Chefin im Donaugartl
Elisabeth Floh, liebevolle Ehefrau, gute Seele des Service und Chefin im Donaugartl
Zero Waste als Philosophie

Es war das Wirtshaus der Großeltern samt Landwirtschaft, das den Grundstein zum Zero Waste Gedanken legte. Alle sechs Wochen wurde dort ein Schwein abgestochen und zur Gänze verwendet, damals war das auch eine wirtschaftliche Frage. Und das ist hängengeblieben.

Fast noch mehr war es aber die Affinität zu Pflanzen. „Als ich bei den Bauern war und gesehen habe, wie aufwändig und vor allem zeitintensiv der Anbau ist und dann hole ich das Gemüse nach einer Vorlaufzeit von rund eineinhalb Jahren und schneide gleich mal die ganze Kappe der Erdbeere weg – das geht nicht!“

Heute kauft Josef Floh alle zwei Wochen ein ganzes Lamm und je nach Tagesverfassung wird dann jedes Teil verkocht! Deshalb steht auf der Karte auch nur „Lamm vom Auer Christian aus Arbesbach, zerteilt und unterschiedlich aufbereitet“. Wobei sich das unterschiedlich auch auf den Preis bezieht – und genauso steht’s auch in der Karte. Was dann am jeweiligen Tag genau gekocht wird, kommunizieren die Mitarbeiter mündlich, wenn sie die Karte an den Tisch bringen und viele Stammgäste sagen: „Bring mir gleich die handgeschriebene Karte.“

Zero Waste heißt bei Floh aber auch: „Die Apfelschalen kochen wir aus und machen daraus einen Apfel-Rosmarin Sirup. Und unser Kriecherl-Cola wird mit Eberraute, dem Colakraut, angesetzt.“

Brauchen wir einen Gemüsesommelier?

„Beim Wein wird seit Jahrzehnten über Terroir, Klima und Standort gesprochen. Wir haben das mal mit den Karotten gemacht und gesehen, wie groß das Spektrum ist. Aber: Uns fehlt das Vokabular für Gemüse! Und wir müssen uns auch weiterbilden, im Geschmack in die Tiefe gehen. Wir sind der Gegentrend zur Industrieware, die immer einheitlich schmeckt! Brauchen wir vielleicht einen Gemüsesommelier?“, sinniert Floh. Was die Begrifflichkeit betrifft, ist er nicht sicher, weil es mittlerweile für fast alles einen Sommelier gibt. Aber dass es Fachleute in dieser Richtung braucht, davon ist er überzeugt.

Königsdisziplin: BIO & regional

Richtet sich die Küche nach den regionalen Angeboten, Herr Floh? „Zu 1000 Prozent!“ Und welches regionale Produkt verwenden Sie am liebsten? „Eh Karotten, weil sie so vielseitig sind. Oder auch Paradeiser. Da machen wir zum Beispiel Paradeiserbuchtel: Innen gefüllt mit Paradeisermarmelade und statt der Vanillesauce gibt’s eine Paradeiscreme. Und alte Getreidesorten, wie das Einkorn. Daraus machen wir unsere Palatschinken und der Einkornreis wird zu Risotto oder zur Suppeneinlage.“

Wie sich die Essgewohnheiten gewandelt haben, zeigt Floh an einem kleinen Zahlenbeispiel: „Wir hatten auf der Speisekarte schon immer drei Bereiche: Fleisch, Fisch und vegetarisch. In den 2008er Jahren galt rund Dreiviertel der Nachfrage dem Fleisch, heute ist es je ein Drittel.“

Was ist denn wichtiger: Regionalität oder BIO? „Die Kombination aus beidem ist die Königsdisziplin“, sagt Floh, dessen Betrieb zu über 85 Prozent biozertifiziert ist.

Wie halten Sie es mit der Kommunikation hinsichtlich Nachhaltigkeit? „2013 haben wir, nach dem Vorbild von Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann, den ersten Nachhaltigkeitsbericht herausgegeben, 2017 aber wieder damit aufgehört!“ Warum? „Nur Zahlenaustausch war mir zu wenig. Und Du zeigst den Leuten einmal die Aufstellung, und im nächsten Jahr mit den neuen Zahlen wieder, und dann interessiert es keinen mehr.“ Nachhaltigkeit muss sichtbar gelebt werden und der 66 Kilometer-Radius, die Handschlagqualität mit den Bauern und die Wertschöpfung, die in der Region bleibt, sind die besten Aushängeschilder.

Herr Floh, werden Sie künftig auch Heuschrecken servieren, die derzeit ja im Trend liegen? „Ausgeschlossen ist es nicht, aber ich glaube nicht, dass sie sich bei uns durchsetzen werden, das ist eine kulturelle Sache!“

Was bei Floh’s Gastwirtschaft eigentlich auch nicht notwendig ist. Denn der intensive Kontakt zu den regionalen, kleinen Produzenten, die Fülle an Produkten im erwähnten Radius, der Fokus auf das Einlegen – das alles garantiert Stabilität im Angebot. Und die neue Gaststube „Lehmküche“ unterstreicht die Philosophie nochmals: Der organische Lehmputz, gemacht von einer kleinen Handwerkfirma aus NÖ, sorgt für atmungsaktive Wände, die regionale Tischlerei Farthofer hat ergonomisch gefertigte Sessel aus Eichen-Vollholz designt. Und vor dem Haus steht die EFlotte. Die Lampenschirme hat 3-Haubenkoch Sascha Hoffmann kreiert, der die Liebe zum Töpfern entdeckt hat. Alles in allem also sehr regional.

 

Die bessere Hälfte

Und außerdem wäre da noch der Garten mit rund 400 Pflanzen und Kräutern in Hülle und Fülle, Obstbäume von Marille über Kirsche bis hin zu den Kriacherln. Das alles ist fest in der Hand von Gattin Elisabeth, die das Zepter im Service über die rund 10 Mitarbeiter im Winter bzw. 20 im Sommer schwingt. Die doppelte Sommer-Anzahl deshalb, weil in der schönen Jahreszeit auch das Donaugartl mit rund 90 Plätzen, als reine Gastgarten-Gastronomie, geführt wird. Exakt gegenüber vom Stammhaus Gastwirtschaft Floh und an der Donau gelegen. Die Karte dort ist anders und auch ein wenig kleiner, eine eigene Küche sorgt für die Zubereitung der Speisen, für die Verfeinerung sind die Gäste dann selbst zuständig. Denn nebst dem Besteck wird auch eine Schere aufgedeckt, mit der sich die Gäste aus den mitten im Gastgarten befindlichen Hochbeeten ihr ganz persönliches Grünzeug schnipseln können. Gattin Elisabeth steht da gern beratend hinsichtlich Geschmack und Kombination zur Seite. Und sonst sorgt sie dafür, dass in Floh’s Gastwirtschaft alles reibungslos läuft und hält dem kochenden Gatten den Rücken frei. Also eh so, wie man es kennt: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau!

Die Gastwirtschaft Floh ist auch Top Wirt der NÖ Wirtshauskultur 2022/23, was macht das mit Ihnen? „Beim ersten Mal, 2005, war es etwas Besonderes, es spricht sich herum und Gäste kommen schon auch deshalb. Jetzt ist der Floh zwar schon ein Begriff, aber die Auszeichnung ist nach wie vor etwas Außergewöhnliches und freut uns natürlich sehr!“

www.derfloh.at

Buchtipp

Josef Floh hat auch zwei Kinderkochbücher herausgebracht, wo sich auch eine Gebirgsforelle in Paradeissauce für Kinder ab dem 10. Monat findet. „Paradeissauce essen Kinder immer.“

Josef Floh hat auch zwei Kinderkochbücher herausgebracht, wo sich auch eine Gebirgsforelle in Paradeissauce für Kinder ab dem 10. Monat findet. „Paradeissauce essen Kinder immer.“

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