„Eine Marke zu etablieren kostet Geld!“

Bierpapst Conrad Seidl

Österreich ist das Land der einheimischen Biermarken, Importbiere haben hierzulande keinen leichten Stand. Woran das liegt, welche Fehler im Markenaufbau oft gemacht werden und welchen Vorteil es für den Gastronomen haben kann, sein Angebot mit Importbieren abzurunden, darüber sprach GASTRO mit „Bierpapst“ Conrad Seidl.


GASTRO: Der heimischen Biermarkt ist fest in österreichischer Hand, Importmarken tun sich seit jeher schwer. Woran liegt das?
Conrad Seidl: Was in Österreich auf dem Biermarkt fehlt, ist ein Auftritt starker Marken – das ist übrigens in Deutschland nicht viel anders. Damit meine ich internationale Marken, aber auch einheimische. Ich komme gerade aus Irland und dort könnte man meinen, das ganze Land gehört Guinness. Da gibt es fast kein Lokal, das kein Guinness vom Fas ausschenkt und kein Souveniergeschäft kommt ohne Guinness- Merchandising aus. So etwas gibt es bei uns nicht. Anderes Beispiel, Corona: Die haben in den US-Markt extrem viel Geld investiert – mit Erfolg. Oder Heineken: Eine Super-Marke, aber die Brau Union versucht halt mehr die Regionalität ihrer eigenen Marken zu betonen, statt dass sie Heineken pushen. Das ist ein ausgezeichnetes Bier mit sehr hoher Drinkability, wenig Bitterkeit, davon kann man leicht ein oder zwei weitere Gläser trinken. Die Brau Union hat eher versucht, das als Spezialität zu vermarkten, aber war nicht konsequent genug zu kommunizieren, dass ein Heineken in jeder Bar stehen muss, die etwas auf sich hält, die trendy ist. Aber klar, um eine Marke aufzubauen, muss man sehr viel Geld investieren und hier passiert bei Heineken meiner Meinung nach zu wenig. Und das in Österreich, wo jeder glaubt, dass das Bier am besten aus dem Sudkessl hinterm Wirtshaus kommen muss.

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Ist die starke Regionalisierung nicht ein generelles Phänomen in Österreich? Überspitzt ausgedrückt: Wien gehört Ottakringer, in Oberösterreich trinkt man Zipfer, in Salzburg Stiegl und in der Steiermark gibt es Glaubenskriege zwischen Gösser- und Puntigamer-Trinkern.
Es gibt eine gewisse Internationalisierung der Marken lustigerweise umgekehrt. Österreich exportiert nämlich gar nicht so wenig Bier. Was die wenigsten wissen: Wir exportieren mehr Bier als Wein. Mit dem Ergebnis, dass du unter Umständen in Chicago leichter ein Stiegl bekommst, als in Vorarlberg. Oder in Italien leichter ein Villacher als irgendwo bei uns. Handel lebt allerdings vom Austausch. Wer Produkte exportiert muss auch welche importieren und das erkennen in Österreich wenige.

„Bierpapst“ Conrad Seidl: „Das mit den internationalen Marken funktioniert schon, wenn du zielgruppengerichtet verkaufst.“
„Bierpapst“ Conrad Seidl: „Das mit den internationalen Marken funktioniert schon, wenn du zielgruppengerichtet verkaufst.“

Liegt das aber an den handelnden Akteuren oder am Konsumenten, der auf ein anderes als sein regionales Bier gar nicht scharf ist?
Das mit den internationalen Marken funktioniert schon, wenn du zielgruppengerichtet verkaufst. Siehe Corona. Beworben als das Bier der jungen Leute, Karibik, Sommer, Sonne, Strandfeeling. Ich habe mal eine Studie gelesen, laut der Corona in den USA am liebsten von Hausfrauen im Alter zwischen 40 und 55 getrunken wird, weil die so sein wollen, wie es die Werbung suggeriert, weil die die Jugend und den Spaß nochmal erleben wollen. Aber egal, die Verkaufszahlen stimmen jedenfalls. Dahinter müssen halt das Produkt und die Markenphilosophie stimmen. Dazu kommt, dass Biermarken über die Gastronomie gemacht werden und Gastronomen sind oft keine guten Verkäufer. Diese Erfahrung musste ich leider schon oft genug machen. Aber das beste Angebot nützt nichts, wenn der Gast davon nichts weiß, wenn er nicht darauf hingewiesen, wenn nicht aktiv verkauft wird. Und das machen viele Wirte eben nicht.

Bloß welchen Vorteil hat der Wirt, wenn er aktiv ein internationales Bier verkauft, statt dem regionalen, das sich von selbst verkauft?
Naja, ganz so stimmt das mit dem „von selbst verkaufen“ auch nicht. Verkaufen tut es letztlich ja die Brauerei, die Werbung für die Marke macht. Aber mit Bierspezialitäten kann ich – wenn ich sie mit Augenmaß kalkuliere, wenn der Preis nicht den Rahmen sprengt – ganz nette Deckungsbeiträge herausholen. Und es erweitert mein Angebot. Zu einem Fisch werde ich mit einem Pils oder einem Märzen nicht weiterkommen. Das schmeckt einfach nicht. Da brauche ich irgendwas in Richtung Weißbier oder sogar ein Sauerbier – aber das muss man aktiv verkaufen. Und dann verdient der Wirt an einem Weiß- oder Sauerbier meist sogar ein wenig mehr, als an einem Märzen – wenn er die Kalkulation nicht übertreibt.

Da sind wir dann aber schon im Bereich der Spezialitäten. Das ist etwas anderes als ein typisches Lager, wie Carlsberg etwa, das von Stiegl während der Heim-Fußball-EM in Österreich vertrieben und danach nie wieder gesehen wurde. Zudem wurde Carlsberg, das damals neu im österreichischen Markt war, weil es so in den Fanzonen ausgeschenkt wurde bald mit „Plastikbecher und teuer“ assoziiert, wenn ich mich richtig erinnere.
Das stimmt schon, aber Stiegl hat sich da einfach nicht bemüht. Carlsberg wurde gefühlt nie aktiv verkauft. In Salzburg haben es eine Zeitlang ein paar Lokale auf der Karte gehabt und das wars. Du musst dir halt deinen Markt suchen. Zu einem Schnitzel wirst du nicht unbedingt ein Carlsberg erfolgreich verkaufen können, ebenso wenig wie ein Heineken zu einem Gulasch. Muss man auch nicht. Aber zu etablieren, dass man, wenn man auf ein Bier geht, ein Heineken oder ein Miller Genuine Draft trinken kann – warum nicht? Auch Pilsner Urquell oder Budweiser Budvar sind ja jetzt Marken, die bei uns nicht rasend gut etabliert sind. Da gibt es in Wien mit Zattl, Praterwirt oder Schweizerhaus das eine oder andere namhafte Aushängeschild in der Gastronomie für diese Marken, aber das wars.

Diese drei angesprochenen Lokale leben aber auch mehr von der Art des Bieres – sei es das Tankbier, sei es die spezielle Art des Zapfens – als von der Marke.
Das ist es ja: Marken brauchen Kult! Ich sag nur Guinness: Wie lange das beim Einschenken dauert, bis sich der Schaum setzt oder denk an die Widgets in den Dosen. Oder die Limette bei Corona. Wenn du solche Kults etablierst, hast du’s geschafft. Aber zusätzlich noch einmal: Wenn du eine internationale Biermarke in Österreich etablieren willst, dann musst du Geld in die Hand nehmen und du musst einige Wirte gewinnen, die das nicht nur auf der Karte haben, sondern aktiv verkaufen.

Zum Thema Fisch kam vorhin das Stichwort „Weißbier“. Das ist ja ein – wenn auch sehr kleines und westlastiges – Segment in Österreich, in dem vor allem bayrische Importmarken wie Schneider, Erdinger oder Franziskaner, zumindest etwas Relevanz haben.
Ja, aber das war auch keine Selbstverständlichkeit. Weißbier war ein Stil, der in den 1960er-Jahren in Deutschland fast ausgestorben ist, bis dann der erste Brauer auf die Idee kam, Weißbier klassisch zu bewerben, was bis dato unüblich war. Dann ist der Absatz wieder gestiegen. Womit wir wieder beim Anfang wären: Nimm Geld in die Hand, drücks in den Markt hinein, mach ein Produkt, das erkennbar ist und dann kannst du mit einer Biermarke Erfolg haben – auch mit einer internationalen Marke.

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