Unter Wert verkauft

Gulaschsuppe aus der Dose? Stierblut für Billig-Touristen am Balaton? Fettige Fleischspieße vom Balkangrill? Kalorienreiche Pudding-Torten? Traurig, wie oft mit einer herrlichen kulinarischen Tradition umgegangen wird.

Unter Wert verkauft - Ethnofood - ethno foodDie ungarische Küche genießt einen legendären Ruf und eine traurige Gegenwart. Selbst in Ungarn muss(t)e man lange suchen, um eine halbwegs schmackhafte Küche zu entdecken, die über das Standardniveau „Balkangrill“ hinauskam. Und dann war sie immer noch eher fett und kalorienreich, sprich altmodisch. Immerhin gibt es in Budapest ein weltberühmtes Restaurant, das die ungarische Küche (und die internationale haute cuisine) pflegt: Das Gundel zählte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den besten Restaurants Europas. Nach 1990 arbeitet es daran, diesen Ruf zurückzubekommen.

Es ist allerdings umstritten, ob nur die Preise an das damalige Niveau angeknüpft haben. Zur Unterhaltung spielt wie in vielen traditionellen ungarischen Lokalen auch hier eine „Zigeunerkapelle“. Wesentlich moderner, leichter und gesünder präsentiert sich das Spitzenrestaurant Salt in Budapest. Traditionell und das seit Jahren auf vernünftigem Niveau bekommt man ungarische Küche im Wiener Ilona Stüberl – das sagen auch in Wien lebende Ungarn.

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Was ist ungarische Küche?

Es gibt einige klassische Gerichte, die den Kern bilden. Zunächst das „Gulasch“, das in Ungarn kein Ragout, sondern eine Suppe ist. Sie wird von altersher in einem großen Kupferkessel (bogrács) zubereitet. Wenn wir im Sommer den Grill anwerfen, hängen die Ungarn einen Kessel über ein offenes Feuer: die ungarische Variante des BBQ! Im Kessel wird Schweinefett erhitzt, dann kommen Zwiebeln (in Ungarn gibt es eine besondere milde Sorte) und Rindfleisch aus der Wade dazu (im Verhältnis von 1:2). Gewürzt wird mit Knoblauch, Kümmel, Majoran, Tomatenmark und natürlich Paprika. Gibt man noch Sauerkraut dazu, bekommt man Szegediner Gulaschsuppe.

Die Wiener Variante nimmt Erdäpfel. Hier ist das auch kein Eintopf, sondern eine gebundene Suppe. Das „Gulasch“ heißt in Ungarn Pörkölt. Das wird auch in Kupferkesseln als Ragout zubereitet. Früher verwendeten die Hirten zum Würzen schwarzen Pfeffer. Mit dem machte man damals Fleisch haltbar. Er war aber teuer, weil er aus Indien importiert werden musste („Pfeffersäcke“ sind damit reich geworden). Als das günstigere, heimische Paprikapulver im 18. Jahrhundert aufkam, rieb man damit das Fleisch ein und stellte fest, dass das paprizierte Fleisch beim Braten eine braune, krustenartige Oberfläche bekam – mit einem neuartigen, angenehmen Geschmack: pörkölt, übersetzt: leicht angebrannt.

Gibt man zum Pörkölt etwas Sauerrahm (tejföl), der in Ungarn besonders g’schmackig und mit nichts (Crème fraîche trifft es auch nicht) zu vergleichen ist, erhält man Paprikas. Mit Paprika wird auch Huhn gewürzt: paprikás csirke. Es kann sein, dass das eine Erfindung des französischen Kochs Escoffier war. So wie das Boeff Stroganoff auch kein russisches Gericht ist. Zum Paprikahuhn werden als klassische Beilage Nockerln (Trahonya) gereicht. Schneidet man das Fleisch in Streifen und lässt die Paprika weg, erhält man Tokány. Auch Fisch, besonders Zander (Fagosch) wird wie Gulasch zubereitet.

Als Fischsuppe heißt sie Halászlé: Weißfisch wird auch mit unedleren Teilen weichgekocht, dann durch ein Sieb gepresst. In diese Brühe kommen jetzt die edleren Fischteile – gewürzt wird mit Paprika. Bindet man sie mit Sauerrahm wird daraus Korhely. Berühmt ist auch die ungarische Gänsestopfleber, die schon zu Zeiten des Warschauer Pakts wie die Salami eifrig exportiert wurde.

Ursprünge und Grundlagen

Die ungarische Küche ist aus der bäuerlichen Küche und der Magnatenküche des ungarischen Hochadels entstanden. Eine bürgerliche Küche gab es erst seit dem 19. Jahrhundert, vielleicht sogar als Konstrukt des Hochadels zur Nationenbildung innerhalb der K&K-Monarchie. Ungarn produziert gute Fleischqualitäten, was auch an der traditionellen Freilandhaltung der Schweine liegt. Das macht sich qualitativ im Exportschlager Salami bemerkbar. Erfunden haben diese luftgetrocknete Hartwurst zwar die Italiener, aber die ungarische muss sich nicht verstecken.

Erfunden hat die ungarische Variante Márk Pick 1883 in Szeged. Die ungarische Salami wird anders gewürzt als die italienische, besonders bekannt ist die Wintersalami (ohne Paprika!). Grundsätzlich wird sie aus einer besonderen Schweinerasse, den „Salami-Schweinen“ (Mangalica, ungarische Wildschweine, Duroc u.a.) hergestellt, die ein besonders fettreiches und aromatisches Fleisch produzieren. Optisch prägend ist die dünne Edelschimmelbedeckung, die sich auch geschmacklich bemerkbar macht. Wenn die Schale nicht aus Plastik ist, sollte man sie deshalb mitessen. Sie wird anders als die italienische und wie die spanische Corizio meist mit Paprika (außer Wintersalami) gewürzt, dazu kommen Knoblauch, Piment und weißer Pfeffer.

Strudel und Pogatschen

Rétes (Strudel) sind ebenfalls prägend für die ungarische Küche. Ihre Blätterteighülle ist so hauchdünn wie nirgendwo sonst. Es gibt sie in süßen und salzigen Varianten. Pogatschen sind runde, meist salzige Gebäckstücke. Vermutlich sind sie über die Türkei nach Ungarn gekommen. Sie werden mit Topfen, Grieben oder Erdäpfeln gefüllt.

Süßspeisen

Berühmt sind auch die ungarischen Mehlspeisen: Esterhazy-Torte (Nusstorte mit Marillenfüllung), Dobostorte (sechs Schichten Biskuit, fünf Schichten Schoko-Butter-Creme mit Karamellglasur) und natürlich die Palatschinken (Palacsinta), die in Ungarn besonders dünn ausfallen. Berühmt sind die Gundel-Palatschinken aus dem gleichnamigen Restaurant. Die sind mit einer höchst komplexen Nusscreme gefüllt und werden mit einer raffinierten Schokosauce gereicht. Berühmt und beliebt auch außerhalb Ungarns sind die Schomlauer Nockerln (Somloi galuska), die auch im Gundel erfunden wurden: verschiedene Biskuitböden werden mit Vanillecreme, Rumguss, Schokoladenguss und einer Füllung aus Rosinen, Walnüssen, Marillenmarmelade und (viel!) Schlagrahm serviert.

Ungarischer Wein

Trotz einer sehr langen Weinbautradition, die bis in die Römerzeit zurückreicht, hat der ungarische Wein seinen guten Ruf in der sozialistischen Zeit verspielt, holt aber in den letzten Jahren auf. Berühmte Weinbaugebiete sind die vulkanische Region Balaton, Sopron sowie Eger (Erlauer Stierblut) und Tokaj (Süßweine). Nach dem Ende des kommunistischen Massenweines aus Ungarn besinnen sich viele ungarische Weinbauer wieder auf Qualitätsweinbau. Ungarische Blaufränkische können mittlerweile mit den österreichischen mehr als mithalten.

Der Tokajer wird auch als gehaltvoller Weißwein trocken ausgebaut (z.B. Furmint oder Gelber Muskateller) und nicht nur als süßer, edelfauler, spätgelesener Ausbruchwein – der aufgrund seines vulkanischen Terroirs einzigartig mineralisch und frisch schmeckt, weniger bombastisch als ein Süßwein aus Rust. Die südungarischen Weinbaugebiete Villány-Siklós und Szekszárd haben sich in den letzten Jahren auch international einen Namen mit Rotwein machen können. Selbst das Stierblut (Egri Bikaver, immer ein Cuvee aus mindestens vier Traubensorten, eigentlich ein Gemischter Satz in Rot) kann nicht nur mächtig und halbsüß schmecken.

Auch er wächst auf vulkanischem Tuffgestein, was ihm viel Wärme und Fruchtigkeit gibt. Die kalten Winde und Nächte sorgen für die nötige Säure. Wer sich selbst ein Bild von der Qualität ungarischen Weins moderner und individueller Machart und anderer mittel- und südosteuropäischer Weine machen möchte, dem sei der darauf spezialisierte Weinladen Central European Wine Art mit kleiner (ungarischer) Küche am Wiener Rudolfsplatz empfohlen.

https://cewart.at

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