„Das Trinkgeld hat sich sogar erhöht“

GASTRO lud zu einem Runden Tisch, um mit Experten über die Vor- und Nachteile des bargeldlosen Bezahlens in der Gastronomie zu diskutieren.

Bargeldloses Bezahlen nimmt zwar in den meisten Bereichen stetig zu und hat auch durch Corona noch einen zusätzlichen Schub bekommen, in der Gastronomie stehen viele Wirte jedoch Kreditkarten & Co. noch immer skeptisch gegenüber. Etwa jeder zweite Betrieb lebt nach wie vor unter dem Motto „nur Bares ist Wahres“. Warum das so ist und was sich für eine breitere Akzeptanz ändern müsste, versuchte GASTRO im Zuge einer Diskussionsrunde zu erörtern, an der die Gastronomen Heiner Raschhofer (Soulkitchen- Gruppe, Salzburg), Christl Sedlar (Café Prückel, Wien) und Karl Kolarik (Schweizerhaus, Wien) sowie Christian Schicker (Head of Commerce Development, Mastercard) teilnahmen.

„Mühsames Handling des Bargeldes“

Diskutierten über die Zukunft des bargeldlosen Bezahlens in der Gastronomie (v. l.): Karl Kolarik, Christl Sedlar, Christian Schicker, Heiner Raschhofer sowie Clemens Kriegelstein (GASTRO).
Diskutierten über die Zukunft des bargeldlosen Bezahlens in der Gastronomie (v. l.): Karl Kolarik, Christl Sedlar, Christian Schicker, Heiner Raschhofer sowie Clemens Kriegelstein (GASTRO).

Radikalster Verfechter des bargeldlosen Zahlens in diesem Quartett war sicherlich Heiner Raschhofer, der in vielen seiner insgesamt 26 Lokalen überhaupt kein Bargeld mehr nimmt. „Ich versuche meiner Zeit immer voraus zu sein und habe in den letzten Jahren bei Reisen nach Skandinavien und in die USA gesehen, wie sehr dort Bargeld auf dem Rückzug ist, wie problemlos das alles funktioniert und wie übersichtlich alle Ausgaben für den Kunden letztlich aufgelistet werden.

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Gleichzeitig sehe ich bei uns, wie mühsam das Handling des Bargeldes ist, ständig wird irgendwas gezählt, wenn eine Summe nicht stimmt, wird nochmal gezählt, der Umsatz muss vom Wechselgeld und dem Trinkgeld getrennt werden, das Bargeld im Safe gelagert und auf die Bank gebracht werden, dazu das Risiko, Ziel von Einbrüchen oder Überfällen zu werden – das spart man sich alles beim Verzicht auf Bargeld.“ Bei den Gästen habe die Umstellung zu keinerlei Problemen geführt, vor allem weil ein Schild bereits am Eingang diesen Umstand ankündigt, die Gäste also nicht überrascht würden beim Erhalt der Rechnung. Und für den absoluten Notfall gäbe es jeweils auch noch eine Notkassa, bei der man bar zahlen könne, was aber kaum je in Anspruch genommen werde.

Bei manchen Mitarbeitern wären anfangs die Reaktionen aber durchaus ambivalent gewesen, vor allem weil manche Angst um ihr Trinkgeld gehabt hätten. Raschhofer: „Diese Angst hat sich aber als unbegründet erwiesen – im Gegenteil: Seit wir auf bargeldlosen Zahlungsverkehr umgestiegen sind, hat sich das Trinkgeldaufkommen sogar leicht erhöht.“ Der Trick dabei sei, dass bei der neuesten Generation der Bezahlterminals der Posten „Trinkgeld“ standardmäßig auf sieben Prozent eingestellt sei.

Diesen Prozentsatz kann der Gast zwar nach Belieben verändern oder sogar auf null setzen, das müsse dann aber aktiv geschehen und vor allem das Auf-Null-Setzen vor den Augen des Kellners sei dann den meisten Gästen doch unangenehm. Gleichzeitig würde diese 7%-Variante den Gästen das Kopfrechnen beim Aufrunden ersparen und unrunde Beträge seien ja beim Bezahlen mit Kreditkarte & Co. kein Problem. „Dieses System hat dabei gleich noch einen Vorteil: Bei der Personalsuche kann ich einem Bewerber nicht nur eine Vermutung über die Höhe des erwartbaren Trinkgeldes geben, sondern ich kann‘s ihm schwarz auf weiß zeigen“, so Raschhofer.

Angst vor höheren Kosten und dem Wegfall der Anonymität

Deutlich skeptischer gegenüber dem Bezahlen mit Uhr, Handy oder Kreditkarte war Christl Sedlar, die in ihrem Ringstraßen- Lokal bis heute ausschließlich Bargeld akzeptiert: „Ich habe ein Altwiener Kaffeehaus, da gibt es eine ganz andere Interaktion zwischen Kellner und Gast, das bargeldlose Bezahlen würde hier einfach nicht passen, das wäre nicht stimmig für das Konzept. Zumal es ja einen Kellner gibt, der für die Abrechnung, fürs Kassieren verantwortlich ist. Ich verstehe nicht, warum ich für diese Aufgabe jetzt noch eine externe Firma bezahlen soll.“ Natürlich käme es hin und wieder vor, dass manche Gäste – speziell Touristen – verwundert seien, dass man nicht mit Karte zahlen könne, aber erstens sei diese Tatsache überall im Lokal groß angeschrieben und zweitens gäbe es direkt gegenüber einen großen Supermarkt mit Bankomat.

Sedlar: „Zumindest zu dessen Öffnungszeiten können wir die Gäste in solchen Fällen hinüberschicken zum Geldabheben.“ Ernsthafte Probleme gäbe es deshalb also keine. Auch weil die Umsätze in einem Kaffeehaus nicht so hoch seien im Vergleich. Eine Melange koste etwa fünf Euro, damit kämen viele Gäste aus. „Und 10 oder 20 Euro haben doch die meisten Leute eingesteckt“, so Sedlar, die zusätzlich beim reinen Umstieg auf bargeldlose Zahlungen auch Sorge vor dem gläsernen Menschen, vor der Abschaffung der Anonymität artikulierte.

Hier hakte Raschhofer allerdings ein: „Mir geht es überhaupt nicht um die Abschaffung des Bargeldes. Ganz im Gegenteil, das ist auch in Zukunft wichtig!“ Die Entscheidung, sich so zu positionieren, sei eine rein praktische gewesen.

Schweizerhaus will umstellen

Schweizerhaus-Hausherr Karl Kolarik, der dankenswerterweise sein Lokal als Location zur Verfügung gestellt hat, war dagegen bis dato auch ein Gastronom, der ausschließlich auf Bargeld gesetzt hat, der aber in absehbarer Zukunft doch Kreditkarten & Co. die Türe öffnen wird. „Es hat so bisher recht gut funktioniert, wir haben einen Bankomat gleich um die Ecke und einen zweiten direkt im Haus und bei großen Gruppen, etwa Firmeneinladungen, haben wir den Leuten halt die Rechnung zugeschickt. Wir haben aber auch gemerkt, dass bei den Bewertungen auf den sozialen Plattformen im Internet die fehlende Akzeptanz von Kreditkarten der größte Kritikpunkt für manche Gäste war. Jetzt sind wir daher dabei, ein System zu implementieren, das künftig auch das bargeldlose Bezahlen möglich machen soll.“

Das sei allerdings recht aufwendig, alleine ein stabiles WLAN zu errichten, das in allen Räumen in zwei Gebäuden und dem großen Gastgarten mit den riesigen Bäumen darin funktioniert, sei eine Wissenschaft für sich. Entsprechend seien die Errichtungs- und auch die laufenden Unterhaltskosten für so ein System beträchtlich, dazu kämen die Disagio-Sätze. Kolarik: „Diese liegen ja nach Betrieb und System bei rund 1 bis 1,2 Prozent und das macht sich in einer Branche, die im Schnitt vielleicht sieben Prozent Gewinn macht, schon bemerkbar.“ Kolarik rechnet dabei mit rund 50 Prozent Kartenzahlungen in Zukunft. Offen sei aktuell nur noch, ob das System schon nächstes Jahr oder erst 2024 einsatzbereit sei.

13,5 Mio. Karten in Österreich im Umlauf

Als Vertreter der Anbieterseite brachte sich schließlich Christian Schicker von Mastercard ein: „Unser Job ist es, dafür zu sorgen, dass Kredit- & Bankomatkarten eine möglichst breite Akzeptanz haben.“ Wir möchten sicherstellen, dass der Gast einfach die Auswahl hat, wie er bezahlen möchte. Und wir wissen, dass das Zahlen mit Karte immer beliebter wird. Im ersten Halbjahr 2022 sind die diesbezüglichen Umsätze im Vergleich zum Vorjahr österreichweit etwa um 20 Prozent gestiegen. Hier sticht leider die Gastronomie negativ hervor, weil eben fast die Hälfte der Lokale in Österreich – Stand 2021 – nach wie vor nur Bargeld akzeptiert, was unserer Meinung nach auch ein fehlender Servicegedanke ist.

Denn wenn ich – wie vorhin von Frau Sedlar erwähnt – meinen Gast woanders hinschicken muss, damit er dort Bargeld abheben kann, um bei mir zu zahlen, dann ist das nicht das, was ich unter gutem Service verstehe.“ Und noch ein Thema: Der Gast brauche nicht zu schauen, ob er genügend Bargeld mithabe, sondern könne bestellen, worauf er Lust habe.

Schicker schätzt daher, dass künftig die Möglichkeit einer Kartenzahlung für immer mehr Gäste auch in der Gastronomie zu einem wichtigen Kriterium bei der Auswahl des Lokals werde. In Österreich seien aktuell immerhin rund 3,5 Millionen Kreditkarten und zehn Millionen Bankomatkarten im Umlauf, die ja ebenfalls eine Zahlungsfunktion hätten. Es würden sich jedenfalls gerade die Länder mit einer hohen Kartenakzeptanz wie Skandinavien, Großbritannien oder die USA eben auch durch eine insgesamt sehr hohe Servicequalität auszeichnen.

 

Vereinfachung bei Trinkgeldpool

Das Disagio sei jedenfalls fast nie ein Problem, zumal dieses ja nicht in Stein gemeißelt sei, sondern je nach Anbieter, System und Betriebsgröße individuell verhandelbar wäre. Hier gäbe es einen starken Wettbewerb. Schicker: „Heiner Raschhofer würde sein System nicht beibehalten, wenn es ihn unterm Strich mehr kosten würde, als das Agieren mit Bargeld.“ Das bestätigte dieser auch: „Was viele vergessen: Früher hat sich ein Kellner nach seiner Schicht hingesetzt und das Geld gezählt. Das geht heute aber nicht mehr. Die halbe Stunde, die der jeden Tag Geld zählt, ist Arbeitszeit, die ich bezahlen muss“, so Raschhofer, der überdies Erleichterungen beim Handling sieht, wenn es – wie in seinen Lokalen – einen Trinkgeldpool gibt, der auf alle Mitarbeiter aufgeteilt wird.

Überhaupt sei die Automatisation nicht aufzuhalten. Es gäbe etwa immer mehr Konzepte, bei denen z.B. der Bestellvorgang vom Gast schon mittels QR-Code oder App funktioniere. Hier die Abrechnung dann cash vorzunehmen sei ein skurriler Gedanke. Und Raschhofer brachte noch ein Beispiel: „Wenn bei großen Festivals über 100.000 Leute mehrere Tage lang feiern, dann kannst du das mit Bargeld fast nicht mehr handeln. Da hat heute jeder ein Armband, auf das alle Konsumationen aufgebucht werden und gut ist es.“

Passende Lösungen nötig

Einig waren sich jedenfalls alle Teilnehmer, dass das Wichtigste für eine breite Akzeptanz von Kreditkarten & Co. in der Gastronomie die passende Lösung seitens der Anbieter sei. Hard- und Software müsse zu den Bedürfnissen jedes Betriebes passen und speziell die Trinkgeldfunktion müsse so implementiert sein, dass die Mitarbeiter nicht um einen Teil davon umfallen. Diese Lösungen müsse die Industrie anbieten. Lösungen, die eventuell sogar Christl Sedlar zum Umdenken bringen könnte, wie sie zum Abschluss betonte.

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