Gute Geschäfte mit der Fleischeslust

Schnitzel Tafelspitz Co Fleischeslust


Vegetarisch und vegan ist im Kommen? Kann schon sein. Doch noch lassen sich die meisten Österreicher Schnitzel, Tafelspitz & Co. gerne schmecken und für manche Lokale sind bestimmte Fleischspeisen sogar zum USP geworden.

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Der Fleischkonsum steht in letzter Zeit ein wenig in der Kritik. Massentierhaltung und CO2-Ausstoß lauten hier die Hauptkritikpunkte – von denen sich die Österreicher bis dato aber nur bedingt beeinflussen lassen. 60,5 kg Fleisch isst jeder Österreicher im Jahr, davon mehr als die Hälfte (über 35 kg) Schweinefleisch. Damit liegen wir europaweit im Spitzenfeld der Fleischtiger. Wobei der Konsum in den letzten Jahren tatsächlich langsam aber stetig zurückgeht. 2018 waren es noch 63,6 kg und der Rekordwert mit 68,4 kg stammt aus dem Jahr 2000. Ein Trend, der der latenten Personalknappheit in der Branche geschuldet ist, die sich pandemiebedingt jetzt nochmal verstärkt hat, ist die steigende Beliebtheit von Convenience-Produkten auch im Fleischbereich: Egal, ob es das fixfertige Burgerpatty ist oder das vorpanierte Schnitzel – qualitätsmäßig sind solche Produkte von selbstgemachten oft nicht mehr zu unterscheiden. Dafür sind die Portionen gleichmäßig und der ersparte Arbeitsaufwand etwa bei einem Cordon bleu oder einer Rindsroulade ist auch nicht zu verachten. Wie auch immer: Klimawandel hin, Tierschutz her, noch lassen sich Herr und Frau Österreicher Rind, Schwein oder Geflügel schmecken und wer heute ein klassisches Gasthaus ohne Schnitzel auf der Karte betreibt, der muss schon sehr mutig sein. Deutlich leichter hat man es etwa, wenn man das Selbiges gleich zum „Signature Dish“ erhebt und daraus eine Marke macht, wie etwa Hans Figlmüller, der 1965 erstmals das legendäre „über den Tellerrand ragende Figlmüller- Schnitzel“ servierte. Im „höheren dreistelligen Kilobereich“ werden nach wie vor täglich Schnitzel aus der Karreerose des Schweins paniert und gebacken, wie der Sohn des Erfinders und heutige Geschäftsführer, Thomas Figlmüller, gegenüber GASTRO erklärt. Die Schweine stammen dazu großteils aus Niederösterreich und teilweise aus der Steiermark, womit Figlmüller hohe Qualität durch artgerechte Haltung und kurze Transportwege mit entsprechend geringer CO2-Belastung sicherstellen will.

Karl Kolarik versorgt die Wiener seit Jahrzehnten mit Stelzen und speziell gezapftem Bier. Fotos: Kunz/Schweizerhaus

80 Prozent der Gäste greifen zum Schnitzel

Spannend dabei, dass das wahrscheinlich bekannteste Schnitzel Wiens nicht – wie eigentlich vorgesehen – vom Kalb stammt, sondern vom Schwein. Thomas Figlmüller dazu: „Das Schwein ist besonders zart und saftiger als Kalbfleisch. Es eignet sich damit besonders gut, als echtes Figlmüller-Schnitzel über den Tellerrand zu ragen. Wir haben auch das klassische Wiener Schnitzel auf der Karte. Das ist eben kein Figlmüller-Schnitzel, für das die Gäste extra zu uns kommen! 700 bis 1000 Gäste – und damit etwa 80 Prozent aller Gäste – lassen sich unsere Schnitzel in den verschiedenen Betrieben jeden Tag schmecken“, freut sich der „Schnitzelkönig“ über die hohe Nachfrage bei in- und ausländischen Kunden. Nachsatz: „Wenn nicht gerade eine Pandemie grassiert...“ Das Geheimnis des Schnitzels ist nach Aussagen von Thomas Figlmüller neben der Größe das dünne Klopfen, eigens gebackene Kaisersemmeln für die resche Panier und das Backen in drei unterschiedlichen Pfannen. Kein Geheimnis ist allerdings der Werbewert des Schnitzels für die Figlmüller-Lokale. „Für die Stammhäuser ist es der kulinarische Botschafter und vice versa: Figlmüller macht das Schnitzel über den (geografischen) Tellerrand hinaus bekannt. Das Schnitzel und Figlmüller sind eine knusprig panierte Symbiose, die sich seit Jahrzehnten gegenseitig geschmackvoll befruchten“, lässt Thomas Figlmüller ein gewisses Talent zum Marketing in seiner Aussage erkennen.

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Hoher Stammgästeanteil

„Schwein haben“ beim Essen kann man aber nicht nur beim Figlmüller, eine weitere Institution in diesem Bereich ist das Schweizerhaus im Wiener Prater mit seinen legendären Stelzen. Schon in der Zwischenkriegszeit hat der Großvater von Karl Jan Kolarik, dem heutigen Besitzer, die Schweinsstelze auf die Karte gesetzt. Und der Erfolg war durchschlagend. Neben dem riesigen Gastgarten und dem speziell gezapften Budweiser Bier ist die Stelze für die meisten Gäste einer der wichtigsten USPs für einen Besuch im Schweizerhaus. Dass dabei „nur“ rund 25 bis 30 Prozent der Essensbestellungen auf die Stelze entfallen, hat laut Karl Kolarik vor allem mit dem sehr hohen Stammgästeanteil zu tun: „Wenn jemand zwei- oder dreimal die Woche zu uns kommt, dann kann der nicht immer eine Stelze essen, dann braucht der Abwechslung, die wir ja auch bieten.“ Das Fleisch wird von acht regionalen Partnern aus Österreich mit langfristigen Verträgen geliefert, die die Schweine nach genauen Vorgaben aufziehen und zuschneiden. Dadurch ist man breit aufgestellt und nicht von einem einzigen Betrieb abhängig.

Mario Plachuttas Name steht für traditionell gekochtes Rindfleisch in unterschiedlichen Varianten.
Mario Plachuttas Name steht für traditionell gekochtes Rindfleisch in unterschiedlichen Varianten.

„Slow Food“ auf Wienerisch

Das Geheimnis der Stelzen, die nur im Ganzen serviert werden, also in der Regel für zwei bis drei Personen ausreichen: Sie werden erst in einem Gewürzsud nach alter Familienrezeptur gegart und dann fertiggegrillt. „Das Zauberwort heißt ‚langsam‘. Slow food war hier und bleibt unsere Tradition“, so Kolarik. Bedeutet im Umkehrschluss: Die Stelzen werden nicht auf Bestellung, sondern „auf Verdacht“ zubereitet. Damit jetzt einerseits nicht das Fleisch schon am frühen Abend ausgeht, andererseits nicht viel weggeworfen werden muss, braucht es viel Erfahrung und eine gute Einschätzung der Wettersituation. Denn bei einem Gastgarten, der 1400 Plätze bietet (neben den 750 Plätzen im Innenbereich), kann der Bedarf je nach Wetter schon um ein Vielfaches variieren. Ob ein Schweizerhaus auch ohne Stelzen denkbar wäre? „Ja, ganz sicher“, lautet Kolariks unerwartete Antwort. „Dann würden wir wohl noch viel mehr Grillhendeln oder Schnitzel verkaufen.“ Allerdings: „Warum sollten wir eine bei uns sehr beliebte Speise absetzen?“

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Erfolgskonzept Tafelspitz

Eine ähnliche Antwort würde wohl auch von Mario Plachutta kommen, würde man sie ihm stellen. Zwar hat er auch andere Konzepte im Repertoire, Herzstück seines Gastroimperiums sind aber die drei Wiener Plachutta-Stammhäuser in Hietzing, Nussdorf und der Innenstadt mit dem klassischen Tafelspitz (bzw. anderen gekochten Rindfleischteilen wie Schulterscherzel, Kruspelspitz, Hüferschwanzel, u.a.) als Hauptdarsteller. Wegbereiter für diese Erfolgstory war Vater Ewald Plachutta, der im Hietzinger Betrieb in den 1980er-Jahren durch kompromisslose Hingabe zu gleichbleibender Qualität zum Synonym für die große Wiener Siedefleisch-Tradition wurde. Mario Plachutta hat diese Tradition dann übernommen und in den später eröffneten Restaurants ausgebaut. Rund 2000 bis 3000 Gäste werden in diesen drei Lokalen durchschnittlich pro Tag begrüßt, von denen gut zwei Drittel zu Tafelspitz & Co. greifen, serviert in einer Rindssuppe im Kupferkessel mit Wurzelgemüse und Markscheiben, dazu Röstkartoffeln, Schnittlauchsauce, Apfelkren und geröstetes Schwarzbrot.

Das „über den Tellerrand hängende“ Schnitzel ist das Markenzeichen von Thomas Figlmüller.
Das „über den Tellerrand hängende“ Schnitzel ist das Markenzeichen von Thomas Figlmüller.
Heimische Fleischqualität

„Wir verwenden ausschließlich österreichische Rinder für unsere Siedefleischspezialitäten, das bedeutet geboren, aufgezogen und geschlachtet in Österreich. Dies ist uns besonders wichtig. Mit unseren Lieferanten haben wir langjährige, gute Partnerschaften. Wir können uns auf sie verlassen und sie sich auf uns“, erklärt Mario Plachutta. „Wer nicht über mindestens ein Dutzend Stücke von gekochtem Rindfleisch sachkundig sprechen konnte“, schrieb der Feuilletonist Joseph Wechsberg einst, „gehört in Wien nicht dazu, gleichgültig, wie viel Geld er verdiente oder ob der Kaiser ihm den Titel Hofrat oder Kommerzialrat verliehen hatte.“ Die Plachuttas hätten damals wohl „dazugehört“.

Aus der GASTRO 4/22
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