„Die 22-Uhr-Sperrstunde war keinem Gast zu erklären“

Die 22-Uhr-Sperrstunde Der Salzburger Walter Veit ist seit Jänner neuer Präsident der ÖHV.
Der Salzburger Walter Veit ist seit Jänner neuer Präsident der ÖHV.

Der neue ÖHV-Präsident Walter Veit im GASTRO-Interview mit Clemens Kriegelstein über den Unsinn mancher Coronaregeln, schwarze Schafe bei der Lehrlingsausbildung und eine befürchtete Marktbereinigung in der Hotellerie.


GASTRO: Hr. Veit, Gratulation nachträglich nochmals zur Wahl zum Präsidenten! Sie sind ja bei der Wahl ohne Gegenkandidaten angetreten. Ist das so ein Knochenjob, den sich keiner antun will oder sind Sie so gut, dass sich niemand Chancen ausgerechnet hat?
Veit: Naja eigentlich habe ich gehofft, dass das jemand Jüngerer übernimmt, so im Alter zwischen 35 und 55, aber in dem Alter sind alle dermaßen eingespannt im eigenen Betrieb, dass da niemand Zeit hat. Wobei ich sagen muss, dass mich Michi Reitterer schon vor Corona gefragt hat, ob ich das nicht machen möchte und auch in letzter Zeit stark auf mich eingeredet hat und da habe ich dann zugesagt. Was mich natürlich freut ist, dass die ÖHV-Generalversammlung mich und mein Präsidium einstimmig gewählt hat. Ich habe aber auch das Glück, dass meine Tochter seit zwei Jahren Co-Geschäftsführerin ist und ich mich so ein bisschen freispielen kann. Anders wäre das nicht möglich.

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Mit 3- statt 2-G und einer 24- statt 22-Uhr Sperrstunde dürfte – zumindest für den Moment – das Schlimmste für die Hotellerie aktuell vorbei sein. Wie zufrieden sind Sie mit den nun gelockerten Maßnahmen?
Also die wichtigste Lockerung der zugleich sinnlosesten Regel war mal die Sperrstunde. In der Hotellerie war das den Gästen nicht zu erklären. Sowas gabs nur bei uns. Da sitzen Stammgäste seit 10 oder 15 Jahren immer am gleichen Tisch, auch die Nachbarn kennt man schon und dann heißt es wie am Schulskikurs um 22 Uhr „ab aufs Zimmer“? Doch nicht ernsthaft! In der Hotellerie haben sich dann manche Gäste damit geholfen, dass man vor 22 Uhr noch eine Flasche Wein an der Bar geordert hat und sich dann irgendwo im öffentlichen Bereich des Hotels, den man ja nicht zusperren konnte, hingesetzt hat. Aber das war ja keine Lösung, das hatte mit Qualitätshotellerie nichts zu tun.

3- statt 2-G – über das generelle Hin und Her bei der Impfpflicht darf man ja gar nicht nachdenken – ist auch gut, aber in der Hotellerie werden laut unserer Umfrage 37 Prozent der Hotels bei 2-G für den Rest der Saison bleiben und das vor allem in den westlichen Skigebieten, wo die durchschnittliche Aufenthaltsdauer auch länger ist als vielleicht in einem Thermenhotel im Burgenland. Dort geht sich 3-G eher aus.

Wird das alles reichen, um die Wintersaison zu retten?
Das Wichtigste ist, dass wir alle einen kühlen Kopf behalten und die aktuellen Regelungen weiter beachten. Das letzte, was wir jetzt brauchen würden, wäre wieder ein neuer Rückschritt. Sonst sehe ich für den Rest des Winters im Rahmen der Möglichkeiten eine durchaus gute Saison für uns. Die Vorsaison ist ja leider ausgefallen, auch der Jänner war ein Riesenloch. Und was für uns auch entscheidend ist – aber darauf hat unsere Regierung leider keinen Einfluss – ist, ob uns das Robert-Koch-Institut von der Liste der Hochrisikoländer streicht. Solange wir da drauf sind gibt’s keine internationalen Firmenevents. Das traut sich keiner. Sogar Private machen sich da Sorgen um Konsequenzen beim Arbeitgeber oder mit der eigenen Versicherung, wenn einem in so einem Land was zustößt. Aber prinzipiell sind die Vorbuchungen da, im Februar sehe ich sie so bei 65 – 70 Prozent. Es wird halt alles sehr kurzfristig. Dazu kommen vielleicht noch Mitarbeiterausfälle wegen Corona. Aber egal: Hauptsache, wir haben offen!

Wie sieht die Lage derzeit in den Städten aus?
Schlecht! Ende Jänner, Anfang Februar hätte die Mozartwoche in Salzburg stattfinden sollen. Die wurde abgesagt trotz extrem guter Vorbuchungen. Auch in Wien ist es im Moment zäh. Die Belegungsrate in vielen großen Hotels wird so bei 10 bis 15 Prozent liegen, vielleicht sind es 20. Also hier wird die Erholung wohl noch bis 2024 dauern.

Rechnen Sie nach dem Auslaufen der Hilfsmaßnahmen mit einem Hotelsterben in Österreich?
Leider ja. Das wird auch an den Zinsen liegen, die jetzt wohl langsam wieder angehoben werden. Bisher wurden auch viele vom System mitgezogen, die eigentlich nicht lebensfähig gewesen wären. Jetzt betrifft das immer mehr Betriebe und da hat man mit Corona einerseits einen Vorwand seitens der Banken, um reinen Tisch zu machen und andererseits auf eine brauchbare Entschuldigung für die Unternehmer. Es war dann halt Corona, das einem das Genick gebrochen hat. So können alle ihr Gesicht wahren. Also ja, ich rechne mit einer Marktbereinigung.

„Zehn Prozent aller Hotels sind gefährdet“

Gibt es seriöse Schätzungen, wie viele Betriebe das betreffen wird?
Früher hat man immer gesagt, einem Drittel geht’s sehr gut, ein Drittel ist der Mittelbau, der auch noch gut leben und auch investieren kann und ein Drittel – naja. Die werden natürlich nicht alle sterben, aber wenn ein Drittel des unteren Drittels nicht überlebt, dann sind das insgesamt gesehen auch zehn Prozent unserer Hotellerie. Das ist nicht Nichts. Was ich aber auf jeden Fall befürworte, ist die Möglichkeit eines würdevollen Ausstiegs. Das ist leider ein Tabuthema bei uns. Da gibt’s Hotels, wo die Betreiber über 70 sind, aber nicht raus können, weil die Schuldenlast erdrückend ist, man in dem Haus wohnt und die Kinder den Betrieb aber nicht weiterführen möchten. Wenn die das Haus verkaufen geht sich abzüglich der Schulden nicht mal eine Eigentumswohnung aus. Hier müsste es eine Lösung geben. Auch um zu verhindern, dass solche Betriebe dann an irgendwelche Investoren gehen, die offiziell vermietete Apartments, in Wirklichkeit aber illegale Zweitwohnsitze für begüterte Ausländer draus machen.

„Dynamische Preise gibt es in der Hotellerie schon lange – warum nicht auch in der Gastronomie?“

Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um den Mitarbeitermangel zu bekämpfen? Etwa verschärfte Zumutbarkeitsbestimmungen oder höhere Gehälter, die allerdings letztlich die Gäste selbst bezahlen müssten?
Verschärfte Zumutbarkeitsbestimmungen habe ich selbst vor kurzem noch befürwortet, aber es ist ein zweischneidiges Schwert. Es mag Jobs geben, in denen du auch einen unwilligen Mitarbeiter irgendwie einsetzen kannst. Aber in unserer Branche, in einem Dienstleistungsberuf mit direktem Kontakt zum Gast? Wenn da einer nicht willig ist richtet er mehr Schaden an als er nützt. Passieren muss aber trotzdem was! Und höhere Gehälter würden wir gerne zahlen, das spielts nur leider nicht, ohne dass wir die Preise ebenfalls anheben müssten. Wie ich vor 38 Jahren begonnen habe in dem Geschäft hatten wir Personalkosten von 21, 22 Prozent und das war damals schon viel. Heute liegen wir alle zwischen 40 und 50 Prozent.

Aber vielleicht kommen demnächst etwa in der Gastronomie flexible Preise, wo das Schnitzel am Wochenende eben zehn Prozent mehr kostet, als unter der Woche, um so den Mitarbeitern einen Wochenendzuschlag zahlen zu können. In der Hotellerie sind dynamische Preise schon lange völlig üblich. Warum also nicht auch in der Gastronomie?

Sehen Sie derzeit Chancen auf eine nennenswerte Senkung der Lohnnebenkosten?
Das wird jedenfalls eine unserer wichtigsten Forderungen an die Politik. Wenn denen eine ökologische Steuerreform so wichtig ist, dann sollen sie auf den Energiesektor meinetwegen noch ein paar Prozentpunkte draufgeben und dafür eine merkbare Entlastung bei den Lohnnebenkosten ermöglichen. Wir sind die letzte Branche, in der Arbeitskräfte nicht ersetzbar sind. Die Industrie versucht, soweit wie möglich Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzen. Das geht bei uns nicht.

Die geplante CO2-Steuer wird wohl die aktuell hohe Inflation eher anheizen als dämpfen. Sind Sie als Touristiker über diese Maßnahme glücklich?
Wir verkaufen in Österreich saubere Umwelt und intakte Natur. Wenn wir das weiterhin haben wollen und die CO2-Neutralität anpeilen, dann muss das einen Preis haben. Die Wirtschaft hat sich immer auf die Gegebenheiten eingestellt. Wir haben aktuell einen Ölpreis über 90 Dollar pro Barrell, wir hatten vor etwa 15 Jahren aber auch schon über 100 Dollar und sind damals auch nicht pleitegegangen. Ich denke, dass das machbar ist und dass sich höhere Energiepreise mit den richtigen Maßnahmen abfedern lassen. Alleine was wir in unserem Haus mit intelligenten Steuerungssystemen oder dem Umstieg auf LED-Beleuchtung eingespart haben. Ob ein Betrieb sechs oder sieben Prozent Energiekosten hat, ist nicht das Hauptproblem. Die Musik spielt bei den Lohnkosten.

Seit letztem Jahr können ja auch Gastronomiebetriebe ÖHV-Mitglied werden. Wie wird dieses Angebot bis dato angenommen und in welchen Bereichen hat die ÖHV die Gastronomie im Fokus? Nach wie vor drehen sich die Wortmeldungen ja eher um die Bereiche Tourismus und Hotellerie.
Wir nehmen die Gastronomie eigentlich schon immer mit, weil die meisten Hoteliers ja auch ein Restaurant mitbetreiben. Wir kennen uns in dem Bereich also auch aus. Und im Laufe der Zeit sind immer öfter Gastronomen an uns herangetreten, die gemeint haben „Ihr setzt euch so für die Hotellerie ein, könnt ihr das nicht auch für uns machen?“ Daher gibt es jetzt die Möglichkeit einer Gastro-Mitgliedschaft bei uns, die wir aber nicht aktiv bewerben. Wir werden auch am Namen „Hoteliersvereinigung“ nichts ändern und Hotellerie bzw. Tourismus werden auch in Zukunft in unserem Fokus liegen. Aber die Probleme sind ja meist die gleichen. Ob die Hotelbar oder der Wirt um 22 Uhr zusperren muss – wo ist der Unterschied?

„Wenn in einem Betrieb ständig ein Großteil der Lehrlinge abspringt, dann muss ich den aus dem System rausnehmen, bevor er noch mehr kaputt macht.“

Was werden Ihre sonstigen Schwerpunkte für das laufende Tourismusjahr sein?
Das Mitarbeiterthema wird uns stark beschäftigen. Wir müssen darstellen, wie toll es ist, in unserem Beruf zu arbeiten. Wir können jeden brauchen, der gerne Dienstleister ist. Und das Thema Bezahlung der Mitarbeiter wird immer dringender. „Wir können uns das nicht leisten“ ist kein Argument mehr. Wenn wir uns das nicht leisten können oder wollen, werden immer mehr Leute in andere Branchen abwandern.

Ganz wichtig wird auch die Lehrlingsausbildung werden. Einen Befähigungsnachweis, um Lehrlinge auszubilden bekomme ich einmal ausgestellt und der gilt ewig. Das kann es nicht sein. Wir verlieren 30 Prozent der Lehrlinge, die etwa Koch oder Kellner werden möchten, während der Lehrzeit. Da kann man nicht sagen, dass die Jungen alle nicht arbeiten wollen, sondern da müssen wir uns selbst bei den Ohren nehmen und uns fragen, was da bei der Ausbildung falsch läuft. Die Gewerkschaft, mit der ich über das Thema auch schon gesprochen habe, kennt auch die schwarzen Schafe, bei denen die Lehrlinge ständig abspringen, aber denen sind auch die Hände gebunden. Wir brauchen also eine Gesetzesänderung, dass solche Feststellungsbescheide befristet werden. Jedes unnötige Detail wird bei uns ständig kontrolliert und in dem Bereich, in dem es um die Zukunft unserer Branche geht, passiert nichts? Das kann doch nicht sein! Wenn in einem Betrieb innerhalb weniger Jahre von acht Lehrlingen sechs abspringen, dann müssen doch die Alarmglocken läuten, dann muss ich den aus dem System rausnehmen, bevor er noch mehr kaputt macht. Auch als Antwort darauf hat die ÖHV gemeinsam mit der Gewerkschaft eine Akademie für Lehrlingsausbildner ins Leben gerufen, die bis jetzt sehr gut ankommt und die den Leuten, die sonst wahrscheinlich einen sehr guten Job als Unternehmer machen, Tipps für den Umgang mit jungen Leuten gibt. Weil das hat sich einfach sehr verändert im Vergleich zu damals, als die heutigen Chefs den Beruf gelernt haben. Diese Akademie wird übrigens auch gefördert, aktuell in Kärnten etwa bis zu 100 Prozent und das ist auf jeden Fall gut investiertes Geld.

Noch ein Punkt, der mir wichtig ist, ist das Thema Eigenkapital. Wenn ich heute als Kreditnehmer ein schlechtes Rating habe, bekommt die Bank ebenfalls ein schlechtes Rating. Das heißt, die Bank bekommt schlechtere Konditionen, die sie an mich weiterreicht, weshalb ich letztlich für meinen Kredit mehr Zinsen zahlen muss. Daher brauchen wir Modelle zur Eigenkapitalstärkung. Das ginge etwa, indem man Grundstücke endlich auf einen realistischen Wert anhebt und in die Gesellschaft reinnimmt. Ich habe bei mir Grundstücke drin, die ich um 100 Schilling/Quadratmeter gekauft habe, die heute noch immer mit sieben Euro in den Büchern stehen, obwohl du heute unter 2000 Euro kein Grundstück mehr bekommst. Oder was auch endlich kommen müsste wäre die steuerliche Gleichstellung von Privatdarlehen mit Bankkrediten. Außerdem rauchen wir wieder realistischere Abschreibungszeiträume. Das sind alles rein buchhalterische Maßnahmen, die den Staat nichts kosten, die die Branche aber ganz anders dastehen lassen würden.

„Wir hatten in den vergangenen Sommern viele „geliehene“ Gäste.“

Was erwarten/erhoffen Sie für die Sommersaison 2022?
Ich denke, dass das Nächtigungsvolumen der letzten beiden Jahre gehalten wird, wenn auch nicht mehr mit solchen Spitzen wie letztes Jahr im August. Man darf nicht vergessen, dass wir etliche „geliehene“ Gäste hatten, die in normalen Jahren vielleicht lieber ans Meer geflogen wären. Heuer wird man also sehen, wie gut wir gearbeitet haben, wie gut wir diese Gäste von den Angeboten in Österreich begeistern konnten, oder ob es diese Leute doch wieder ans Meer zieht. Ich denke, wir konnten viele begeistern, manche werden trotzdem wieder abspringen, dafür werden neue dazukommen. Also insgesamt bin ich recht optimistisch, ebenso für den Herbst.

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